Autor: Rechtsanwältin Claudia Heise
Nicht jeder möchte in den „Genuss“ des Erbes kommen
In den letzten Jahrzehnten sind große Vermögensmassen im Rahmen von Erbschaften weitergegeben worden. Aber nicht für jeden ist eine Erbschaft ein Gewinn. Zum Schutz ist im Erbschaftsrecht das Instrument der Ausschlagung gesetzlich vorgesehen. Die Entscheidung, hiervon im Einzelfall Gebrauch zu machen, setzt rechtlich profundes Wissen voraus, muss genau durchdacht werden und sollte hinsichtlich der verfolgten Zwecke juristisch solide beraten sein. Denn die Konsequenzen einer Ausschlagung können nicht so einfach wieder beseitigt werden. In jedem Fall sollte die Anfechtung einer vorschnellen Ausschlagung möglichst vermieden werden.
Zur Ausschlagung ist jeder Erbe berechtigt, unabhängig davon, auf welche Weise er als Erbe in Betracht kommt. Das kann einmal durch das Gesetz sein – im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge –, durch ein Testament oder auch einen Erbvertrag. Durch die Ausschlagung verliert der vorläufige Erbe seine Berechtigung am Nachlass, wobei die Ausschlagung auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückwirkt. Meist besteht auch kein Pflichtteilsanspruch mehr.
Stellt sich im Nachhinein heraus, dass das Erbe doch sehr viel werthaltiger war als angenommen, bleibt nur noch als letztes Mittel: die Anfechtung der Ausschlagung – ein rechtlich kompliziertes und riskantes Unterfangen.
Ist die Ausschlagungsfrist abgelaufen (§ 1943 BGB, sechs Wochen) oder hat der vorläufige Erbe die Erbschaft angenommen, kann sie nicht mehr ausgeschlagen werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass auch vor Ablauf der Ausschlagungsfrist das Erbe schon angenommen werden kann. Hier kommt es auf die Formerfordernisse an, die für die Ausschlagung streng geregelt sind, während für die Annahme ein entsprechendes Verhalten ausreichend sein kann.
Annahme der Erbschaft: Für die Annahme einer Erbschaft reicht eine formlose Erklärung aus, die auch schon durch schlüssiges stillschweigendes Verhalten zustande kommen kann. Abgrenzungsschwierigkeiten liegen auf der Hand. Fürsorgemaßnahmen für den Nachlass müssen im konkreten Einzelfall bewertet werden: Ab wann ist ein Verhalten als stillschweigende Annahme zu deuten in Abgrenzung von rein fürsorglichem Kümmern um den Nachlass? Nicht selten erfolgt die Klärung dann im Rahmen eines Rechtsstreites.
Eine Annahme der Erbschaft ist anzunehmen wenn:
◼ ein Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt wird;
◼ zum Nachlass zählende Gegenstände für eigene Zwecke verwendet werden;
◼ der Erbschaftsanspruch geltend gemacht wird;
◼ Teile der Erbschaft oder die Erbschaft im Ganzen verkauft werden.
Form und Frist der Ausschlagung: Die fristgebundene Ausschlagung wird wegen ihrer Tragweite und der rechtlichen Konsequenzen unter ein Formbedürfnis gestellt und muss zwingend in öffentlich beglaubigter notarieller Form abgegeben werden oder zur Niederschrift des Nachlassgerichts.
In jedem Fall jedoch muss die Ausschlagungsfrist gewahrt sein. Hier handelt es sich um eine sogenannte Notfrist von sechs Wochen, die zwingend zu beachten ist.
Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz im Ausland, oder hat sich der vorläufige Erbe bei Fristbeginn im Ausland aufgehalten, beträgt die Frist ausnahmsweise sechs Monate.
Außerdem muss der vorläufige Erbe im Hinblick auf seine Rechtsposition das nötige Hintergrundwissen gehabt haben: Das ist zum einen der Tod des Erblassers, die die gesetzliche Erbfolge begründenden Familienverhältnisse, Wegfall oder Fehlen ihm vorgehender Erben und schließlich das Fehlen eines Testaments oder Erbvertrages, das die gesetzliche Erbfolge ausschließt.
Liegt ein Erbvertrag oder ein Testament vor, juristisch „Verfügung von Todes wegen“ genannt, beginnt die Frist nicht vor der Verkündung dieser Verfügung. Sei es mündlich in einem Eröffnungstermin beim Nachlassgericht oder aber durch schriftliche Benachrichtigung.
Wann macht eine Ausschlagung Sinn?
◼ An erster Stelle steht sicherlich die Überschuldung des Nachlasses. Aber Vorsicht: Irrtümer sind hier immer möglich, da falsche Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses nicht selten zu einer vorschnellen Ausschlagung führen. Die anwaltliche Beratung greift daher lieber zu den vielfältigen Haftungsbeschränkungen, von denen der Erbe zu seinem Schutz Gebrauch machen kann und damit die Ausschlagung umgeht.
◼ Die Wiedererlangung der eigenen Testierfähigkeit und Beseitigung der Bindungswirkungen durch ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen, die aber zusätzlich durch Widerruf außer Kraft gesetzt werden müssen. Das kann dann ein Widerrufstestament sein, ein widersprechendes Testament oder auch ein neuer Erbvertrag.
◼ Die Beseitigung von Beschwerungen und Beschränkungen im Rahmen einer Erbeinsetzung, die nur geringfügig über der Pflichtteilsquote liegt.
◼ Manchmal ist auch der Erbe seinerseits überschuldet und möchte verhindern, dass seine Gläubiger auf den Nachlass zugreifen.
◼ Durch Ausschlagung soll der Nachlass anderen Personen zukommen, die begünstigt werden sollen.
◼ Durch Ausschlagung hat der überlebende Ehegatte eine weitere Option: Er kann nun die sogenannte güterrechtliche
Lösung wählen.
Das heißt: Er erhält den konkret zu berechnenden ehelichen Zugewinnausgleich und zusätzlich noch den sogenannten kleinen Pflichtteil.
Nur im Rahmen einer anwaltlichen Beratung können Vor- und Nachteile individuell abgewogen und eine auf den Einzelfall zugeschnittene Lösung gefunden werden. Eine solche Beratung bietet die Autorin zum Schutz und auf Wunsch auch als telefonischen Beratungstermin an.